Was Hochsensible von Räumen brauchen 


Architektur für Hochsensible bedeutet, auf deren Bedürfnisse besonders Rücksicht nimmt. Dieser Artikel beschreibt, was darunter zu verstehen ist.

Hochsensible Menschen zeichnen besonders empfindliche Sinneswahrnehmungen und eine spezielle Begabung in der Wahrnehmung von Stimmungen aus. Dieses Talent können Hochsensible nutzen, um in verschiedenen Gebieten, wie der Kunst oder im sozialen Bereich, Höchstleistungen zu vollbringen. Hochsensible leiden jedoch auch stärker unter Belastungen und reagieren häufiger mit Stresssymptomen oder auch Burn Out. Hochsensible zeichnen sich dadurch aus, dass sie stärker auf Umweltreize reagieren. Sie haben eine ausgeprägte, detailreiche und subtile Wahrnehmung und erleben die Eindrücke der Umwelt sehr intensiv. Damit reagieren sie stärker auf Stressfaktoren aus der Umwelt. Besonders Lärm und Beengung wirken sich stark auf das Wohlbefinden von hochsensiblen Menschen aus. Hochsensible können sehr kreativ sein, leiden aber auch mehr unter Unstimmigkeiten, Konflikten und Reizüberflutung.

Lt. Forschungen sind ca. 15-20% aller Menschen hochsensibel. Das ist wesentlich mehr, als ich persönlich vermutet hätte. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass sich hochsensible Menschen unter Belastungen zurück ziehen und weniger in der Öffentlichkeit vertreten sind. Meist sind sie auch leiser.

Hochsensible nehmen Unstimmigkeiten deutlicher wahr

Doch was hat dies mit dem Wohnen oder der Architektur zu tun? Architektur für Hochsensible ist vor allem im Wohnbau eine wichtige Planungsaufgabe, weil Hochsensible auf Unstimmigkeiten in der Wohnumwelt stärker reagieren als andere. In der Wohnung kann dauerhafte Stressbelastung für Hochsensible zu einem wirklichen Problem werden.

Da die Intensität der Informationsaufnahme bei Betroffenen höher ist als bei anderen Menschen, stoßen Hochsensible früher an ihre Schmerzgrenze. Eine Überstimulation an Reizen kann in der Tat Schmerzen verursachen, denn bei Überlastung wehrt sich der Körper. Unwohlsein, muskuläre und nervliche Anspannung sind andere Symptome der Überreizung des Nervensystems. Hochsensible benötigen viel Zeit, um Erlebtes zu reflektieren, darüber nachzudenken, oft endlos zu grübeln. „70 Prozent von uns sind introvertiert und situationsbedingt häufig auf dem Rückzug. Dadurch werden wir oft als scheu und gehemmt eingestuft. Dabei sind die meisten von uns mindestens ebenso kontaktbedürftig wie alle anderen“, sagt Georg Parlow (2006), der als Hochsensibler ein Buch zum Thema geschrieben hat und die Internetseite „zart besaitet“ betreibt.

In einer Architektur für Hochsensible sollten folgende Faktoren des Wohnens besonders berücksichtigt werden:

Vermeiden Sie dauerhafte Stressbelastungen

Lärmempfindlichkeit ist eine der Hauptindizien dafür, dass ein Mensch als hochsensibel gilt. Viele Hochsensible erleben Lärm als körperlichen Schmerz. Diese Sensibilität kann sich jedoch auch auf alle anderen Sinneswahrnehmungen beziehen. So wirkt sich auch eine visuelle Überstimulation, wie grelles Licht, stark auf das Wohlbefinden von Hochsensiblen aus. In einer Studie wurde außerdem festgestellt, dass hochsensible Mütter stärker unter Chaos in der Wohnung leiden als normalsensible.

Durchforsten Sie Ihre Wohnung hinsichtlich Stressfaktoren wie Lärm, schlechte Akustik, zu starke Unordnung, harte und raue Oberflächen bzw. spitze Kanten usw.. Jeder Stressfaktor, den Sie beseitigen können, trägt zu ihrem Wohlbefinden bei.

Schaffen Sie Plätze der Geborgenheit

Geborgenheit ist ein psychisches Erleben, das für alle Menschen wichtig ist. Dies gilt für Hochsensible jedoch in einem besonderen Ausmaß, weil diese Zeit brauchen, in der sie die Reize der Außenwelt wegschalten können. Wenn Sie sich in Ihrem Zuhause einen besonderen Platz gestalten, der Geborgenheit ausdrückt und Ihnen die Möglichkeit zum Rückzug gibt, so kommen Sie diesem Bedürfnis entgegen. Folgende Gestaltungsmerkmale tragen zur Geborgenheit bei:

  • Blickschutz – das Gefühl nicht von anderen beobachtet zu werden
  • Überblick und Weite – zu erkennen, was draußen vorgeht, bietet meist ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit
  • Positive Raumform, in der Wände und Decken als Grenze erlebt werden
  • Verwendung von weichen Materialien, die Sie gerne angreifen

Schaffen Sie Plätze der Erholung

Plätze der Geborgenheit sind meist auch Plätze der Erholung. Einige Aspekte können noch berücksichtigt werden, um den Erholungseffekt zu verstärken. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die erholsame Wirkung der Natur eindrucksvoll belegt. Es sind jedoch bestimmte Merkmale der Natur, auf die man achten sollte. So ist etwa Faszination ein wichtiger Aspekt von Erholung. Bilder der Natur, die gleichzeitig faszinieren, können einen persönlichen Erholungsplatz stark bereichern. Weitere Aspekte von Erholung finden Sie in den Artikeln zur Rubrik „gesunde Lebensräume“.

Finden Sie die richtigen Farben

Warme, aber nicht zu kräftige Farben, haben das Potential das Geborgenheitsempfinden zu stärken. Natürlich ist die Farbgestaltung immer etwas sehr Individuelles. Nachdem Hochsensible ein gutes Gespür für feine Nuancen haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie Farben finden werden, die Ihr Wohlbefinden stärken.

Privatheitsregulation in der Wohnung

Im Wohnbau gilt: die Wohnung ist privat, die Straße ist öffentlich und dazwischen sollte es Übergangsbereiche geben. Sind diese Übergänge zu abrupt, so fühlen sich die meisten Menschen, und besonders die Hochsensiblen nicht sehr wohl. So ist etwa ein öffentlicher Weg, der zu nahe im Blickfeld einer privaten Wohnung vorbei führt, ein Störfaktor für die Bewohner. Meistens wird dann mit Blickschutzmaßnahmen reagiert. Eine weitere Möglichkeit wird oft weniger bedacht. Indem Sie die Übergänge individuell und privat gestalten, entsteht eine stärkere Grenze zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erklären:

Bei einer Laubengangerschließung einer Wohnung ist der Laubengang (halb)öffentlich und die Wohnung privat. Was fehlt ist der halbprivate Übergang. Indem Sie den Eingangsbereich (von innen und von außen) persönlich gestalten, wird dieser Übergang weicher und fließender. Die Wohnung innen wird damit auch stärker als privat erlebt.

Vermeidung von medialer Reizüberflutung

Mediale Reizüberflutung ist für Kinder problematisch. Für hochsensible Kinder kann dies besonders schwierig werden. Wenn Sie als Elternteil hochsensibel sind, sollten Sie die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass es auch Ihre Kinder sind, weil Hochsensibilität angeboren und nicht erworben ist. Zumindest der Fernsehkonsum kann durch die richtige Platzierung eingeschränkt werden. Geben Sie dem Fernseher keinen zentralen Standort in der Wohnung. Man kann einen Fernseher auch mit einfachen Mitteln verstecken. Eine Schiebewand in einem Fernsehkasten etwa, erfüllt diese Funktion sehr gut.

Architektur für hochsensible Kinder

Hier noch einige Empfehlungen für den Fall, dass Sie hochsensible Kinder haben.

Geborgenheit entsteht durch räumliche Faktoren, aber auch die Anwesenheit und die Nähe von vertrauten Menschen. Besonders Kinder brauchen Sicherheit durch Kontakt. Hier haben Raumplaner, die mit dem Konzept Bauen für Geborgenheit arbeiten, Ideen verwirklicht, die diesem Bedürfnis stark entgegenkommen. Im Aufenthaltsraum einer Wohngruppe für krisenbelastete Kinder wurde ein Podest in ca. 1,70 m Höhe eingebaut.

Kinder die sich dorthin zurückziehen, können von unten nur gesehen werden, wenn man die Leiter ein Stück hinaufsteigt. Dieses Podest ist mit geschwungenen Ratanstäben nach unten abgegrenzt. Damit besteht die Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch das Kind, das sich dorthin zurückgezogen hat. Vor allem im Konfliktfall hat sich dieser Einbau besonders bewährt. Die Kinder können sich zurückziehen, ihre Privatheit schützen, sich beruhigen, haben aber trotzdem die Möglichkeit mitzubekommen, was unten vor sich geht und was die anderen zu dem Konflikt sagen. Mit diesem Podesteinbau können Kinder den Schutz durch Rückzug optimal mit dem Schutz durch Kontakt verbinden und die Privatheit durch Rückzug und Kontakt selbst regulieren.

Verstecke haben für Kinder eine beinahe magische Qualität. Die Möglichkeit sich im Wohnbereich zu verstecken ist eine Bereicherung für alle Kinder.

Schlafbereiche für Kinder

Für Kinder sind häufig die normalen Raumproportionen nicht passend und entsprechen nicht ihrem Sicherheitsempfinden. Besonders kleine Kinder brauchen ein Bett als Raum im Raum, um hier wirklich die nötige Geborgenheit empfinden zu können. Was bedeutet dies: Indem das Bett eine Nische im Raum darstellt und die Raumhöhe durch Einbauten unterbrochen wird, kann die Raumproportion dem kindlichen Maßstab und dem kindlichen Empfinden angepasst werden. Verwendet man dazu noch weiche Materialien und warme Farben, so kann die Schlafqualität besonders von den Kindern verbessert werden, die gelegentlich unter Ängsten leiden.

Aus diesen Beschreibungen können wir erkennen, dass hier ein großer Teil aller relevanten Wohnbedürfnisse angesprochen ist. Bedürfnisorientiertung ist also in der Architektur für Hochsensible besonders wichtig.

Architektur für Hochsensible braucht eine andere Herangehensweise

Hochsensible Menschen sind meist erleichtert, wenn sie erfahren, dass es die Unterscheidung zwischen normalsensibel und hochsensibel gibt. Damit verbunden ist das Gefühl, dass diese Sensibilität kein Makel sondern ein Talent ist.

In der Planung bedarf dieses Thema einer besonderen Kommunikation. Unterschiede in den Wünschen der Gestaltung können sich allein durch Unterschiede in der Wahrnehmungsverarbeitung (hochsensibel oder nicht) ergeben. Hochsensible und normalsensible Menschen haben in manchen Belangen sehr unterschiedliche Behaglichkeitsbereiche. Vor allem im akustischen Bereich sollte darauf geachtet werden.

Für hochsensible Menschen sind all diejenigen Gestaltungsmittel passend, die das Stressniveau herabsetzen und den Betroffenen dadurch die Verarbeitung der Wahrnehmungseindrücke erleichtern. Wir bringen das Reizniveau also in den Behaglichkeitsbereich der Hochsensiblen und beachten die Regeln der Privatheitsregulation in besonderem Ausmaß. Dies geschieht durch Reizminderung, wo es um Wahrnehmungsstress (Lärm, Nachhallzeit) geht, sowie durch Einsatz bestimmter Gestaltungsmittel (Raumformen, Farben, Natur), wo es um beruhigende Wirkung geht.