Wohnqualität in allen Lebensphasen

Wohnqualität in allen Lebensphasen

Wohnqualität in allen Lebensphasen ist nur möglich, wenn das Haus sich den verändernden Bedürfnissen anpassen kann.

Beim Bauen stehen wir vor der großen Herausforderung, eigentlich nicht für die Gegenwart, sondern für die Zukunft zu planen. Planen bedeutet ja die Vorwegnahme von Handlungsschritten zur Erreichung eines Zieles. Wenn unser Ziel ist, hohe Wohn- und Lebensqualität zu erreichen, dann macht es Sinn, über spätere Lebensphasen nachzudenken. Auch wenn wir als junge Familien ein Einfamilienhaus errichten wollen, werden wir die meiste Zeit unseres Lebens hier ohne Kinder leben. Dies wird häufig als Argument dafür gesehen, auf die Bedürfnisse der Kinder keine oder wenig Rücksicht zu nehmen. Davor würde ich jedoch abraten, weil die Zeit mit den Kindern der Engpass im Lebenszyklus des Wohnens ist. In dieser Zeit entstehen die meisten Wohnkonflikte und wirken sich schlechte Grundrisse am gravierendsten aus.

Also beginnen wir mit der Phase der jungen und wachsenden Familie, in der meist auch die Eigenheimerrichtung passiert.

Familie mit kleinen Kindern

Familien mit kleinen Kindern brauchen einen Familienraum, in dem sich das aktive Familienleben, das Kochen und Essen, das Spielen, die Geselligkeit, das Zusammensein und auch die Hausarbeit abspielen können. Die Kinderaufsicht soll mit der Hausarbeit einfach zu verbinden sein. Gleichzeitig ist es wichtig, Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen, damit zur selben Zeit die Kinder aktiv spielen können und doch ein Elternteil abschalten kann. Daher hat sich für Familien mit kleinen Kindern bewährt, den Gemeinschaftsbereich von Kochen – Essen – Wohnen in zwei Räume aufzuteilen, nämlich ein aktives Familienzentrum (Kochen, Essen, Beisammensein, Spielen usw.) und einen passiven Rückzugsbereich, also das Wohnzimmer. Dies steht entgegen dem Trend des offenen Bauens, trifft jedoch die Alltagsbedürfnisse junger Familien exakt.

Der Schlafplatz für kleine Kinder soll Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Auch hier gilt es Fehler zu vermeiden. Eine Schlafnische zu machen hat für Kinder eine hohe Qualität, denn Sicherheit entsteht durch Grenzen. Räumliche Grenzen sind die Grundvoraussetzung um Geborgenheit empfinden zu können. Daher meine Empfehlung: Durch eine Nische und eine niedere Decke kann eine optimale Schlafhöhle für Kinder entstehen. Materialien wie Holz oder Textilien bringen dann noch die nötige Weichheit mit, die das Geborgenheitsempfinden stärken.

Ein aktives Familienzentrum und geschützte Schlafplätze sind also zwei wesentliche Aspekte, damit junge Familien harmonisch zusammen leben können.

Familien mit Jugendlichen

Jugendliche haben im Vergleich zu kleinen Kindern beinahe konträre Bedürfnisse, sie brauchen Distanz und Selbstbestimmung. Wenn die Raumanordnung des Jugendzimmers diese Autonomie fördert, ist das Familienleben stark entlastet. Es sollte möglich sein, gewisse Freiheiten im Kommen und Gehen einzuräumen. Also ist eine Anordnung des Jugendzimmers in Eingangsnähe optimal. Um der natürlichen Entwicklung – von Nähe und Geborgenheit hin zu Autonomie und größerer Distanz – entsprechen zu können, empfehle ich bei der Grundrissgestaltung, dass alle Zimmer mehrfach genutzt werden können. Dies ist meist möglich, wenn alle Zimmer mindesten 14 m2 groß und auch von den anderen Parametern (z.B. Sonnenlicht) in etwa gleichwertig sind .

Nach dem Auszug der Kinder

Nachdem die Kinder ihre eigene Wohnung gefunden haben, gilt es für das Paar den eigenen Lebensraum neu zu gestalten. Wenn bereits bei der Planung bedacht wird, wie dieser Raum dann genutzt werden könnte, kann man sich viel Umbauarbeit ersparen. Die häufig leerstehenden ehemaligen Kinderzimmer, können zwar in der Übergangsphase des ‚Selbstständig Werdens‘ der Kinder noch als Rückhalt dienen, wenn die Kinder zwischenzeitlich wieder mal Zuhause wohnen. Irgendwann stellt sich jedoch die Frage der Nutzung und der Wohnungsgröße für das Elternpaar. Es ist nicht wirklich optimal, Räume pflegen zu müssen, für die es keine Verwendung gibt. Besonders im höheren Alter wird der Erhaltungsaufwand zum Problem, womit wir bei der nächsten Phase sind.

Wohnen im Alter

Im Alter ist ein möglicher Pflegebedarf zu berücksichtigen. Also braucht es eine Wohnmöglichkeit für eine ev. Pflegeperson. Hier könnte ein zu groß geratenes Haus wieder seinen Nutzen bieten.

Neben barrierefreier Raumgestaltung sind auch andere Dinge zu bedenken, wie etwa die Teilbarkeit der Wohnung, die Ebenerdigkeit einer dieser Wohneinheiten und die Nutzung der geteilten Wohnungen. Sollen mehrere Generationen zusammen leben, so ist unbedingt auf getrennte Eingänge und Privatheit beider Haushalte zu achten.

Lebensphasengerechte Planung

Will man für alle Lebensphasen familiengerecht planen und bauen, so ist es notwendig, diese verschiedenen Nutzungsvarianten zu durchdenken. Dies zeichnet nachhaltige und wertvolle Planung aus. Konkret bedeutet dies, keine wesentlichen Bedürfnisse wichtiger Lebensphasen zu übersehen und die notwendige Flexibilität der Nutzung zu gewährleisten. Diese beiden Punkte wollen wir hier nochmals zusammenfassen und konkretisieren.

Zentrale Wohnbedürfnisse in den Lebensphasen

Wie oben bereits beschrieben, verändern sich die zentralen Wohnbedürfnisse im Laufe eines Lebens gravierend und manchmal auch sehr schnell. So kann es sein, dass zwischen der Planungsphase und dem Einzug bereits wesentliche Veränderungen passiert sind. Daher finden Sie hier eine übersichtliche Zusammenstellung der gravierendsten Veränderungen von Bedürfnissen in der Entwicklung von Familien:

  • Säuglinge und kleine Kinder brauchen sehr viel Schutz und Geborgenheit. Reizüberflutungen wirken sich hier am gravierendsten aus.
  • Vorschulkinder brauchen viele Anregungen und Möglichkeiten für die Entfaltung. Gleichzeitig brauchen sie Sicherheit durch die Anwesenheit der Eltern.
  • Schulkinder brauchen neben der Möglichkeit mit anderen Kindern spielen zu können, auch einen Platz für das Hausübung machen. Dies wollen fast alle Kinder im Grundschulalter in der Nähe der Eltern, also am Familientisch und erst später (ca. mit 10 Jahren) im eigenen Zimmer.
  • Auch das Bedürfnis nach dem eigenen Zimmer entsteht meist erst im Schulalter zwischen 8 und 10 Jahren. Vorher ist es durchaus eine vernünftige Variante, zwei oder mehrere Kinder in einem Raum schlafen zu lassen.
  • Als Jugendliche entwickelt sich der Wunsch nach Entfaltung, hin zu einem Wunsch nach Distanz zu den Eltern, der in den Prozess der Ablöse von den Eltern mündet. Hier ist die Nähe des Jugendzimmers zum Elternschlafzimmer problematisch.
  • Betrachtet man die Bedürfnisse der Eltern, so ist es wichtig, Kinderaufsicht und Hausarbeit gut verbinden zu können.
  • Gleichzeitig brauchen die meisten Elternteile Rückzugsmöglichkeiten um nicht dauernd verfügbar sein zu müssen.

Zu allen diesen Themen gibt es viel zu sagen, so dass uns für künftige Artikel nicht der Stoff ausgehen wird. Heute wollen wir einen knappen Überblick bieten und mit einigen Empfehlungen für die konkrete Planung schließen.

Planungsempfehlungen für Wohnqualität in allen Lebensphasen

  • Um die Bedürfnisse von Eltern und Kindern verbinden zu können, ist es vorteilhaft, den Gemeinschaftsbereich (Kochen – Essen – Wohnen) nicht offen zu gestalten, sondern mit zwei Räumen, nämlich dem Familienzentrum und dem ruhigen Wohnzimmer
  • Die Individualräume sollten gleichwertig sein, um eine Umnutzung vornehmen zu können
  • Die geplanten Kinderzimmer sollten auch ermöglichen, dass zwei Kinder in einem Raum schlafen
  • Um den Bedürfnissen der Eltern nach Auszug der Kinder gerecht zu werden, ist es sinnvoll, das Haus in zwei Wohnungen teilen zu können

Im Arbeitsblatt „Wohnraum – Lebensraum – Entwicklungsraum“ finden Sie einen Überblick zu den hier vorgestellten Themen.